Das Allgäu hat ja allerhand schöne Landschaften zu bieten. Aber das, was den geneigten Genussbergsteiger auf dem Heilbronner Höhenweg in den Allgäuer Hochalpen erwartet, ist nochmal eine ganz andere Nummer:
Spektakuläre Tiefblicke, einzigartige Flora und Fauna, kurzweilige Gratkraxeleien und jede Menge Leitern und Drahtseilversicherungen machen den Heilbronner Höhenweg zu einem der schönsten und beliebtesten Höhenwege im gesamten Alpenraum!
Einziger Wermutstropfen: Als höchstgelegener Höhenweg Deutschlands ist der Heilbronner Höhenweg vor allem in den Sommermonaten ziemlich überlaufen. Aber klar, die Menschen zieht es einfach in die Berge, und diese Gegend ist ein Paradies.
Die Eckdaten unserer zweitägigen Gipfelgaudi in aller Kürze:
Gipfel: Biberkopf, Hochrappenkopf, Hohes Licht, Steinschartenkopf, Wilder Mann, Bockkarkopf
Startpunkt (Bike): Parkplatz Fellhornbahn (910 m), Faistenoy / Einstieg: Einödsbach (1113 m)
Länge & Höhenmeter: 36,1 km, ca. 2900 HM im Auf- und Abstieg, ca. 12-14 Stunden
Anspruch: T4+, I+, konditionell und technisch sehr anspruchsvoll, teilweise weglos
Einkehr & Übernachtung: Enzianhütte, Rappenseehütte, Walterberger Haus
(Bitte beachten bei der Tourenplanung: Die Höhenmeterangaben bei Komoot sind nicht korrekt.)
Ich habe riesiges Glück.
Schon lange hatte ich vor, mir meinen ehemaligen Studienkollege Chris zu schnappen und mal eine ordentliche Bergtour zusammen anzugehen. Chris wohnt selbst im Allgäu und hat sich in den letzten Jahren ein enormes Wissen über die Allgäuer Berge und deren verschiedenste Routen angeeignet, interessanterweise auch in geologischer Hinsicht. Er weiß genau, wo es am schönsten ist, welche Hütten anzusteuern sind und wann die Chancen am besten stehen, noch in letzter Sekunde begehrte Hüttenplätze zu ergattern.
So haben wir knapp eine Woche vor Beginn unserer Tour tatsächlich noch zwei Übernachtungsplätze auf der perfekt gelegenen Rappenseehütte (2.091 m) bekommen, und das im Herbst bei absolutem Traumwetter und den derzeitigen erheblichen Coronabeschränkungen.
Im Nachhinein bin ich wahnsinnig froh, dass ich dieses Jahr nach unserer abgefahrenen Bike & Hike Tour auf die Zugspitze noch einmal die Möglichkeit bekommen habe, so eine hammermäßige Tour zu starten.
Definitiv ein Highlight dieses Sommers.
Und das ist mein Bericht.
1. In feiner Einserkletterei auf den Biberkopf (2.599 m)
Wir brechen früh auf, satteln bei der Fellhorntalstation in Faistenoy unsere Bikes und radeln in zapfiger Morgenluft das kleine Stück hinauf nach Einödsbach, wo der eigentliche Trail auf uns wartet.
Der Weg ist steil und führt uns durch teils dichte Vegetation. Kaum zu glauben, dass hier sonst so viele Menschen unterwegs sind. An diesem Morgen treffen wir kaum jemanden. Ich fühle mich, als wenn ich wieder in Norwegen unterwegs bin und bleibe zeitweise in alten Erinnerungen hängen.
Nach einer sportlichen Stunde erreichen wir die luxuriöse Enzianhütte (1.804 m) und gönnen uns als Einstimmung in den heutigen Tag bei strahlendem Sonnenschein und unglaublicher Fernsicht erst einmal eine frische Buttermilch mit Blaubeeren. Jetzt kann der Tag so richtig losgehen.
Die Baumgrenze haben wir bereits hinter uns gelassen. Das einzige was bleibt sind schroffe Felsen, die sanft in die typisch allgäuerischen saftig grünen Bergwiesen übergehen.
Ich liebe diese wilde Gegend, und freue mich immer riesig, hier zu sein.
Tobi und ich haben die wunderbare Landschaft ja bereits 2018 auf unserer sportlichen Biwak- und Klettersteigtour über Nebelhorn & Co. ausgiebig bestaunen dürfen.
Nach einer Weile erreichen Chris und ich die Schlucht mit dem eigenartigen Namen Mutzentobel, die insgeheim zu einem meiner Lieblingsspots der gesamten Tour avanciert ist. Chris ist erstaunt, dass ich als alter Geowissenschaftler das Wort “Tobel” nicht kenne und wirft mir, als wir vor dem mächtigen Canyon stehen, erst einmal eine ausführliche geologische Definition an den Kopf.
Auf einer kleinen Hochebene (Auf dem Falken) machen wir eine kurze Rast und stärken uns, bevor wir weglos weiter in Richtung Biberkopf aufsteigen. Von unten erahnen wir bereits den Weg, der knapp unterhalb des imposanten Biberkopfmassivs quert.
Die Querung selbst ist nicht weiter schwierig. Man sollte jedoch Erfahrung im steilen, gerölligen Gelände mitbringen. Wir gehen weiter Richtung Südwesten und treffen bald auf den Abzweig hinauf zum Biberkopf.
Hier beginnt der spaßigste Teil der Tour.
Im perfekten Einserfels geht es knappe 150 HM nahezu senkrecht hinauf zum Gipfel. Die Route ist üppig markiert, die Wegfindung einfach.
Wenn Chris diese Tour nicht so vorgeschlagen hätte, wäre ich wohl nie auf den Biberkopf (der gemäß Wikipedia übrigens der sechsthöchste Hauptgipfel Deutschlands ist) gestoßen und wäre damit wohl auch nie in den Genuss dieser einmaligen, aber leider letztendlich doch viel zu kurzen Kraxelei gekommen.
Einige Minuten später stehen wir bereits am Gipfel und freuen uns tierisch in diesem Moment hier sein zu dürfen. Der Ausblick auf die höchsten Gipfel des Allgäus, den österreichischen Hauptkamm und weit hinein in die schweizerischen Viertausender ist atemberaubend.
Die ersten 1700 Höhenmeter haben wir bereits hinter uns gebracht, aber zu Ende ist die Tour nicht.
Noch lange nicht!
2. Über den Hochrappenkopf (2.424 m) zur Rappenseehütte
Nach einer ordentlichen Rast und dem gemütlichen Abstieg in die Richtung, aus der wir auch vorher hergekommen sind, halten wir uns jetzt rechts und queren auf dem Hauptweg in Richtung Hochrappenkopf (2.424 m) und Rappenseehütte. Am Tiefpunkt der Querung auf 2.250 m steigt der weitere Wegverlauf wieder leicht an, aber zu keinem Zeitpunkt so, dass es wirklich anstrengend oder gar herausfordernd wird.
Der Hochrappenkopf ist bald erreicht. Von dort sehen wir tatsächlich auch zum ersten Mal unsere heutige Übernachtungsstätte, wunderschön eingebettet zwischen Berg und See auf einer kleinen Hochebene.
Wir beschließen, es beim zweiten und letzten Gipfel des heutigen Tages zu belassen. Es ist bereits später Nachmittag, wir haben richtig Kohldampf und sind auch schon etwas angeknackst. Möglich wäre auch noch die weitere Überschreitung des Rappenseekopfs (2.469 m) mit Abstieg über die Rappenseescharte gewesen, aber das wird uns heute zu viel. Morgen werden wir ja noch genügend weitere Gipfel sammeln.
Der Abstieg zur Hütte ist schnell geschafft. Es wartet eine gigantische Portion Käsespätzle auf uns und ich bin positivst überrascht, wie preiswert hier doch alles ist.
Da schmeckt das Bier. Und eine gute Zeit haben wir hier oben sowieso.
Es wird spürbar frischer. Meine geliebte goldene Stunde rückt näher und näher.
Nicht umsonst habe ich bei den heutigen fast zweitausend Höhenmeter meine Sony Alpha 7 II (mit dem dicken Sigma 24-70 F2.8) mitgeschleppt. Und in solchen Moment wie jetzt bin ich einfach immer nur froh, sie auch tatsächlich dabei zu haben.
Lange dauert es nicht, bis sich die Sonne hinter den nächsten Kamm verabschiedet hat. Wir machen uns vom Acker und lassen den restlichen Abend bei leckerem Essen, Bier und einer gemütlichen Spielerunde ausklingen. Gut schlafen werde ich heute garantiert.
3. Morgenstund hat Gold im Mund: Auf das Hohe Licht (2.651 m)
Aufgrund der derzeitig geltenden Coronabeschränkungen und dementsprechend stark reduzierten Belegung der DAV-Hütten, haben wir die Nacht alleine im Sechserzimmer verbringen dürfen. Ein Luxus, den man auf einer Berghütte nicht oft erlebt, aber doch das ein oder andere Mal vorkommt (ich erinnere mich an den Lasörling Höhenweg letztes Jahr, auf dessen letzter Etappe ich komplett alleine in einem Lagerraum nächtigen durfte).
Trotz allem Komfort stehen wir jedoch früh auf und sind die ersten, die beim Frühstück erscheinen. Wir wollen zeitig los, das schöne Licht und die leeren Wege ausnutzen. So macht der Heilbronner Höhenweg am meisten Spaß.
Noch liegt die Hütte im Schatten, aber lange wird es nicht mehr dauern bis die Sonnenstrahlen die anderen Gäste an der Nase kitzeln und ins Freie locken.
In gutem Tempo kommen wir voran. Nach schon weniger als einer Stunde erreichen wir den Einstieg des Heilbronner Höhenwegs: Der berühmte Durchgang im Fels, dem offiziellen Beginn des Höhenwegs. Aber noch ist es nicht soweit.
Erst einmal halten wir uns rechts. Wir wollen vorher noch auf das Hohe Licht (2.651 m), dem zweithöchsten Berg der Allgäuer Alpen und einem wunderbaren Aussichtsberg. Trotz seiner stattlichen Höhe ist der Aufstieg wirklich sehr gut machbar, gerade recht für einen guten Start in den Tag.
Je höher wir kommen, desto umwerfender wird das umgebende Panorama. Die noch tief stehende Sonne hüllt die Bergwelt um uns herum in ein magisches goldenes Licht.
Das stattliche Gipfelkreuz ist schnell erreicht. Unser erster Gipfel für heute.
Wir genießen jede Sekunde hier oben, die frische Luft und wunderbare Fernsicht. Wir genießen die absolute Stille, und die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut.
In einiger Entfernung zieht eine Schar Dohlen ihre Kreise.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir hier oben geblieben sind. Jedenfalls machen wir uns erst wieder langsam an den Abstieg, als eine Gruppe an Wanderern den Gipfel erreicht. Bevor wir aufbrechen, machen wir noch ein paar Fotos.
Dieser Moment muss einfach festgehalten werden.
Einige Minuten später stehen wir wieder an der Abzweigung zum Heilbronner Höhenweg.
Viel schöner kann es nicht mehr werden, das ist mir jetzt schon klar. Aber gespannt bin ich trotzdem, was mich heute noch so erwartet.
4. Gipfelgaudi auf dem Heilbronner Höhenweg
Eines steht fest: Alleine sind wir nun nicht mehr.
An Engstellen und versicherten Passagen müssen wir hin und wieder ein wenig warten. So, dass ich mir nicht wirklich vorstellen möchte, wie es hier an schönen Herbstwochenenden zugeht.
Die Wegführung an sich ist aber einfach nur genial. Und ich weiß nun, warum der Heilbronner Höhenweg so beliebt ist. Denn langweilig wird es hier nie. Man bewegt sich die ganze Zeit über in leichtem Auf und Ab auf einer Höhe von etwa 2.400 m, und als ich Die Brücke erblicke freue ich mich nur umso mehr.
Ein paar Kehren im Fels und eine solide Leiter später stehen wir vor einem der Highlights des Heilbronner Höhenwegs.
Auch wenn die Überschreitung der Brücke keinerlei alpine Schwierigkeiten aufweist, ist es doch eine Sache, die man so in dieser Art nicht besonders oft sieht.
Unweit von der Brücke liegt der Steinschartenkopf (2.615 m), der höchste Punkt des eigentlichen Höhenwegs und unser heutiger zweiter “Gipfel”, auch wenn dieser kein Gipfelkreuz trägt.
Nahezu ebenerdig geht es weiter in Richtung des Wilden Mannes (2.578 m), einem kleinen Gipfelaufbau etwas abseits des Weges. Der höchste Punkt ist nur weglos zu erreichen und erfordert eine ordentliche Ladung Schwindelfreiheit, da man sich am Grat einige Zehnermeter auf bröseligem und extrem ausgesetzten Gelände bewegt.
Abseits vom Trubel ist der Wilde Mann ein hervorragender Platz für eine kurze Verschnaufpause, bei der wir unsere Route der letzten zwei Tage noch einmal Revue passieren lassen.
Tief unter uns sehen wir bereits das Waltenberger Haus (2.084 m), an dem wir später während unseres Abstiegs zurück nach Einödsbach noch vorbeikommen werden.
Der vierte und letzte Gipfel erwartet uns aber noch.
Für uns abschließend steht noch die Überschreitung des Bockkarkopfes (2.609 m) an, dem technisch schwierigsten Teilstück des Heilbronner Höhenwegs, das auch notfalls weiter unten umgangen werden kann. Aber den Bockkarkopf lassen wir uns natürlich nicht nehmen.
Und auch wenn der Aufstieg von Südwesten kommend auf den ersten Blick wirklich ziemlich schwierig aussieht, sollte es doch für einen erfahrenen Bergsteiger sehr gut machbar sein. Immer vorausgesetzt, dass eine gute Portion Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gegeben ist. Problematisch ist allerdings die Tatsache, dass die Beine zu diesem Zeitpunkt schon recht schwer werden. Das würde dann auch die verhältnismäßig hohe Anzahl an Unglücken auf diesem Teilstück erklären.
Damit ist für uns der Heilbronner Höhenweg beendet.
Optional ginge es nun in deutlich leichterem Gelände noch weiter bis zur Kemptner Hütte, wobei man auch hier auf dem Weg noch kniffligere Gipfel wie die Mädelegabel (2.645 m) und den Großen Krottenkopf (2.656 m) mitnehmen könnte. Ein andermal vielleicht. Zurückkommen werde ich sowieso noch öfters.
Was uns aber natürlich noch erwartet, ist die Schlussetappe. Und auch diese überzeugt mit landschaftlicher Schönheit.
5. Abstieg über’s Waltenberger Haus nach Einödsbach
Von der Bockkarscharte geht es hinab zum Waltenberger Haus nur noch über einen steilen Schuttkegel, den man auch hervorragend abfahren kann. Vorausgesetzt, man hat das passende Schuhwerk und ist nicht wie ich mit Trailrunningschuhen unterwegs. Hoch gekommen wäre ich tatsächlich hier eher ungern. Insgesamt bin ich sowieso der Meinung, dass die Rundtour so gegangen werden sollte, wie auch wir es bei dieser Tour gemacht haben.
Als wir bei der Hütte ankommen, ist es bereits Mittag und ein leichtes Hüngerchen macht sich bei uns bereits bemerkbar. Da es zu den Bikes runter auch bei gemütlichem Tempo nur noch maximal zwei Stunden sind, lassen wir uns hier ein letztes Mal richtig Zeit.
Der weitere Abstieg durch das wilde Tal ist alles andere als langweilig. Wasser fließt auf allen Seiten, ständig sind wir umgeben von Wasserfällen und Kaskaden. Das Highlight des Abstiegs ist dabei sicherlich die Durchquerung des sogenannten Schneelochs, einzelne Bereiche sind dort ziemlich rutschig und mit Stahlseilen versichert.
Langsam neigt sich die Tour ihrem Ende zu.
Ein letzter Blick zurück verrät, auf welcher Höhe wir die letzten Tage herumgeturnt sind.
Als wir in Einödsbach ankommen, schwingen wir uns, soweit es unsere vom langen Abstieg geschundenen Glieder noch zulassen, auf die Räder und heizen die 5 km durchs Birgsautal zurück zur Fellhornbahn-Talstation. Definitiv empfehlenswert so ein Bike.
Wahnsinn. Was für eine Tour!
Schon unglaublich, was wir Bayern hier direkt vor unserer Haustüre haben.
Da kann man sich doch einfach nur glücklich schätzen!
Willst du wissen wie es weiter geht?
Dann schau dir doch mal den aktuellen Beitrag zu meiner 4-tägigen Trekkingtour durch die Allgäuer Hochalpen an!
Besten Dank fürs Lesen, und ich hoffe ich konnte dir auch mal wieder eine neue Tour auf deine To-Do-Liste setzen.
Ich freue mich auf deinen Kommentar!