Der Rago Nationalpark
„The gateway to Europe’s last great wilderness“
Der Rago, der sich gerade noch in Norwegen befindet, schließt nahtlos an die großen Drei der schwedischen Nationalparks – Padjelanta, Sarek & Stora Sjöfallets – an und ist damit gewissermaßen der Eingang in die grenzenlose Wildnis. Die letzte große Wildnis Europas.
Im Gegensatz zum Sarek kann man sich im Rago jedoch noch auf eine größtenteils ersichtliche Wegführung verlassen. Und dank seiner guten Erreichbarkeit ist der verhältnismäßig kleine Nationalpark sowohl bei Norwegern als auch bei Touristen sehr beliebt. Überhaupt für alle, die sich gerne für zwei bis drei Tage in die Wildnis verabschieden möchten. Mit dem Bus von Fauske ist der Rago recht zügig über die E6 zu erreichen, gefolgt von einem strammen Fußmarsch von ein paar Kilometern.
Klingt gut?
Ist gut!
Der nächste Nationalpark wartet. Auf ins Unbekannte.
Und so geht die Story weiter:
Den heutigen Abend (Tag 8, siehe nochmals Teil 1) lasse ich noch entspannt am Campingplatz ausklingen. Und alles was ich an Münzgeld noch besitze verheize ich in eine lange und unbeschreiblich revitalisierende Dusche. Ich fühle mich wie neu geboren.
Rago, aufgepasst! I’m back!
Tag 9: “Ein neues Abenteuer beginnt”
Das Wetter ist bombastisch.
Ich starte wieder früh, ich kann es kaum erwarten loszuziehen. Nach kurzem Einlaufen auf der Straße, zweigt rechterhand schon bald der (noch) ausgeschilderte Weg ab.
In dem Moment als ich nach den ersten 400 schweißtreibenden Höhenmetern das Hochplateau erreiche, treffen mich die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages. Und es fühlt sich so gut an. Noch, denn bald wird sich der gefrorene Boden in nervigen Matsch verwandeln.
Ich freue mich und genieße mit allen Sinnen. Der herbstliche Lärchenwald schillert in den schönsten Farben und die Fernsicht ist ausgezeichnet. Auch das Rauschen eines Wasserfalls ist zu hören.
Das letzte Teilstück ist zunehmend felsiger geworden. Der Weg ist mittlerweile total verblockt. Spiegelglatter Fels erfordert zusätzlich höchste Konzentration. Das Vorwärtskommen ist alles andere als Pillepalle, und der Rucksack trägt sein Übriges dazu bei.
Es geht voran jedoch voran. Langsam und stetig. Bis das Gelände einsichtiger wird, und der Wald lichter.
Entspannt folge ich dem Pfad bis zur Hauptattraktion des Rago: Der Litlverivatnet und dessen mächtiger Wasserfall ins Tal des Sleipdalselva.
Hier lege ich meine wohlverdiente Mittagspause ein. Ich mache mich frisch und genieße die Sonne, die Ruhe und das gleichförmige Plätschern des Wasserfalls. Für norwegische Verhältnisse ist es angenehm windstill.
Trotz Bedingungen, die besser nicht sein könnten, bin ich ganz alleine hier. Niemand, weit und breit.
Über den Grat geht es weiter, tief in den Rago Nationalpark hinein.
Unendlich viele glitzernde Seen, kleinere Wasserfälle und sprudelnde Bäche laden zum Pausieren und Fotografieren ein.
Mittlerweile merke ich jedoch die Anstrengungen des Vormittags in den Knochen.
Ein letzter steiler Taleinschnitt, bevor ich meine Campstelle erreiche, zwingt mich zu größter Vorsicht. Denn dort wo eigentlich der Weg über die Felsplatten verlaufen sollte rinnt großflächig Wasser hinab. Eine weiträumige Umgehung der Stelle ist ausgeschlossen. Ich habe keine andere Wahl als meinen Rucksack den gut fünf Meter tiefen Abgrund hinunter zu werfen und irgendwie abzuklettern. Ein Deuter muss das wegstecken können.
Es dauert eine Ewigkeit, bis ich am nassen Felsabbruch geeignete Tritte und Griffe finde.
Für heute habe ich erst einmal genug.
Der restliche Weg zur Storskogvasshytta läuft sich angenehm. Die Location ist wirklich hervorragend: Genügend frisches Trinkwasser aus dem Storskogvatnet und ein herrlich weißer Sandstrand, an dem ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages genieße.
Eigentlich hatte ich ja vor, mein Zelt direkt am Wasser aufzubauen. Nichtsdestotrotz versuche ich mein Glück und schaue, ob nicht doch jemand in der Hütte ist. Generell ist es in Norwegen so, dass man für Berghütten normalerweise einen DNT-Universalschlüssel benötigt, den ich mir jedoch in Bodø nicht mehr rechtzeitig besorgen konnte. Und siehe da, sie ist offen.
Kein Mensch ist hier. Heute Nacht ist es mir also tatsächlich vergönnt, auf einer echten Matratze zu schlafen und mein Essen am Gasherd zuzubereiten. Es sind die kleinen Dinge, die einem bei solchen Touren die größten Freuden bereiten.
Den restlichen Abend verbringe ich bei Kerzenschein, Schokolade und knisterndem Ofen in der Hütte und lese genüsslich mein Buch zu Ende.
Tag 10: “Macht die Runde komplett”
Am nächsten Morgen bleibe ich noch lange liegen. Eilen tut es heute sicherlich nicht. Es ist zwar ein wenig zugezogen, aber der Rückweg sollte gut zu machen sein.
Von der gegenüberliegenden Seite des Tals kann ich den Wasserfall noch für einige Zeit bewundern. Es geht gemächlich dahin, immer leicht bergab.
Schon bald ist es wieder so weit und ich muss in die dichte Vegetation eintauchen, die mich gestern schon geärgert hat. Auch die Kraxelei beginnt von Neuem. Über Stock und Stein, immer am Fluss entlang. Das Wasser hier hat eine unglaubliche Farbe und ist kristallklar.
Nachdem ich die letzte große Brücke überquert habe, trennt mich nur noch ein kurzer Fußmarsch von Lakshol, dem Ort am Ende der Straße, die zurück zum Campingplatz – und damit zur E6 – führt. Der Wanderparkplatz ist komplett leer als ich am späten Nachmittag wieder zurück bin.
Einige Stunden habe ich noch Zeit, um die Planung für mein nächstes Abenteuer hier oben voranzutreiben.
Hier geht’s zu Teil 3 meiner Trekking-Trilogie im Norden Norwegens.
[Auch dieses Mal habe ich auf der Karte (Turkart von ut.no) gekennzeichnet, wo mich die beiden letzten Tage hingeführt haben. Laut Tracker war die Runde vom Campingplatz aus so ziemlich genau 35 Kilometer lang.]
Fazit zum Rago Nationalpark:
Der Rago Nationalpark bietet eine wunderbare Möglichkeit, um mal ein paar Tage in die Wildnis einzutauchen, ohne dass einem hier gleich zu viel abverlangt wird. Die Markierungen und Brücken sind spärlich aber vollkommen ausreichend und bieten ein entsprechend hohes Maß an Sicherheit, sodass der Park auch den eher unerfahreneren Trekkern zugänglich gemacht wird.
Aber Vorsicht: Bei Regen kann es auch hier sehr schnell gefährlich werden, da man sich auf dem Hochplateau die meiste Zeit nur auf spiegelglattem Fels bewegt!
Die Landschaft macht jedenfalls Lust auf mehr, und ich gehe stark davon aus, dass ich in den nächsten Jahren auch mal den berüchtigten Sarek ansteuern werde.
Was denkst du? Ist der Rago was für dich?
Teile es mir mit!
Moin!
Deinen Bericht habe ich mit Genuss gelesen und ein Lesezeichen gesetzt.
Im Juni fahre ich ztunächst Schweden hoch, Dann für ca 5 Tage in den Rago, noch ne Woche rüber auf die Lofoten und dann Norwegen wieder runter…
Dein Bericht hat mich in der Absicht bestärkt: durch den Rago und für 2-3 Tage rüber in den Padjelanta. Oder länger.
Servus Hans!
Das freut mich. Und vor allem freut mich, dass ich dich mit meinem kurzen Bericht noch weiter ermutigen konnte! Ich bin mir sicher, dass du es nicht bereuen wirst.
Das klingt nach einem soliden Plan! Wenn du für irgendeine Region in Schweden oder Norwegen noch Infos benötigen solltest, kannst du mir gerne auch eine direkt Nachricht senden!
Schneeverhältnisse sollten dieses Jahr hervorragend sein für einen frühen Start in die Wandersaison, so warm wie es seit Wochen bereits ist…
Hallo Tobias, wir kommen gerade von einer 2,5 Tage Zeltwanderung im Rago NP zurück. Diese schöne Wanderung haben wir Dir zu verdanken! Der Nationalpark ist richtig klasse, eine tolle Landschaft (Berge, viele Seen, Wasserfälle und sehr viel Grün) und es hat echt geniale Plätze zum Zelten, ganz alleine mitten in den Bergen mit immer tollen Ausblicken. Auch wenn wir nicht ganz so alleine waren wie Du damals, ist es ganz sicherlich immer noch ein ganz wunderbarer Ort abseits der Touristenmassen, die sich tatsächlich jetzt (mitten im August und trotz Covid-19) durch Norwegen schieben. Wir können die Wanderung wärmstens empfehlen. Wir… Read more »
Hi Dennis,
herzlichen Dank für deinen Kommentar, auch wenn dieser nun schon eine Weile her ist!
Das freut mich wirklich riesig und es ist immer schön zu hören, wenn die Artikel auch gelesen werden 🙂
Liebe Grüße