Die Watzmann-Überschreitung ist DER Klassiker im deutschen Alpenraum.
Hoch oben über dem Königssee thront er, der Watzmann mit seinen drei mächtigen Gipfeln. Und wer ihn aus der Ferne erblickt, wird unweigerlich in seinen Bann gezogen.
Folgst auch Du seinem Ruf?
Die Überschreitung des Watzmann-Massivs bietet als zweithöchstes Gebirgsmassiv Deutschlands einfach alles, was sich der erfahrene Bergsteiger von seinen Touren erwartet:
Großartige Berglandschaften, Genusskletterei und anspruchsvollste Gratpassagen, um die eigenen Grenzen auszuloten. Mehr braucht es nicht.
Die Eckdaten der Tour in aller Kürze:
Gipfel: Hocheck (2651 m), Mittelspitze (2713 m), Südspitze (2712 m)
Startpunkt: Parkplatz Wimbachbrücke (634 m), Ramsau bei Berchtesgaden
Länge & Höhenmeter: 22,9 km, ca. 2400 HM im Auf- und Abstieg, ca. 10-14 Stunden
Anspruch: T5+, B/II-, konditionell und technisch extrem anspruchsvoll
Einkehr & Übernachtung: Watzmannhaus, Wimbachgrieshütte
Ausrüstung: Helm, Klettersteigset (nach Belieben)
Bei unserer letzten Biwaktour im Berchtesgadener Land hatten Tobi und ich uns geschworen, bei der nächsten Gelegenheit endlich die Watzmann-Überschreitung anzugehen. Keine Ausreden mehr.
Das konnte doch einfach nicht sein, dass wir als absolute Bergfanatiker die wohl angesagteste Bergtour Deutschlands noch nicht unternommen haben!
So kam es, dass ich Tobi Mittwochabend anrief und ihn fragte wie es kommendes Wochenende bei ihm aussieht. Ob er nicht kurzfristig nach München runterkommen wolle: “König Watze wartet, mit spartanischer Übernachtung am Hocheck!”. Das knappe “Läuft!” am anderen Ende der Leitung reichte mir völlig aus und ich fing direkt an, meine Ausrüstung zusammenzusuchen. Wegen des fragwürdigen Reservierungssystems des Alpenvereins ist es in letzter Zeit ja nahezu unmöglich geworden, auf den Berghütten noch Schlafplätze zu ergattern…
Als ich Freitagmittag heimkomme steht Tobi bereits vor meiner Haustür.
Ich schmeiße mein Arbeitszeug in die Ecke und greife nach meinem Rucksack. Die Sonne lacht, es ist keine Wolke am Himmel.
Zwei Stunden später brechen wir am restlos überfüllten Parkplatz an der Wimbachbrücke (634 m) auf und freuen uns tierisch, dass es nun endlich losgeht. Wie immer gehen wir die Sache sportlich an. Längere Pausen sind nicht geplant.
Nach einer schier endlosen Anzahl an Kehren durch den lichter werdenden Wald erreichen wir unser heutiges Zwischenziel, das Watzmannhaus auf 1915 m. Eine leichte Schwere in den Beinen macht sich bereits bemerkbar, wobei wir die straffe Schlussetappe auf den Gipfel des Hochecks (2651 m) ja noch vor uns haben. Besonders anspruchsvoll ist sie allerdings nicht, zeitweise erleichtern einzelne Stahlketten das Vorankommen im steilen Gelände (A).
Die Zeit drängt etwas. Lange wird die Sonne nicht mehr am Himmel stehen, und den Sonnenuntergang würde ich hier oben schon gern erleben. Wenn man so etwas schon mal macht, dann richtig.
Und tatsächlich, noch vor Sonnenuntergang erreichen wir nach insgesamt 4,5 h Aufstieg mit wackeligen Beinen den Gipfel.
Punktlandung: Feiner Sonnenuntergang am Watzmann-Hocheck
Ein absolut umwerfendes Panorama wartet auf uns. Kein Wunder, dass das Berchtesgadener Land so gehypt wird.
In der allmählich abklingenden Abendbeleuchtung senkt sich ein magischer Schleier über die schroffe Felslandschaft.
Diese Momente am Berg sind es, die ich liebe und warum ich mir die Strapazen immer und immer wieder antue.
Der Blick auf den Hohen Göll, die Archenköpfe und das Hohe Brett lassen mich an unsere letzte Tour vor einigen Wochen zurückdenken. Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen.
Ob dort oben vielleicht auch gerade jemand sitzt, der gebannt vom mächtigen Watzmann zu uns herüberschaut?
Obwohl es sich angeboten hätte: Nein, wir verbringen die Nacht nicht in der Biwakhütte. Die Hütte ist ausschließlich für absolute Notfälle gedacht.
So machen wir es uns schließlich auf dem hölzernen Steg gemütlich, der den Übergang zur eigentlichen Überschreitung darstellt.
Eins weiß ich schon jetzt: Die morgige Etappe wird definitiv ein Highlight in meinem bisherigen Bergsteigerleben sein!
Unsere sunrise mission: Vom Hocheck zur Watzmann-Südspitze
Ich gebe zu, als wir uns am nächsten Morgen aufraffen, sind wir vieles, aber nicht fit.
Aber es hilft nichts, wir müssen los. Noch sind wir die ersten und es wäre schön, wenn es auch vorerst so bliebe. Wir packen unser Zeug zusammen und legen unsere Klettersteigsets an.
[Wobei diese natürlich nicht unbedingt erforderlich sind, aber schaden kann es auch nicht. Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei der Watzmann-Überschreitung um keinen durchgehenden Klettersteig handelt. Es ist sogar so, dass letztes Jahr einige der bereits angebrachten Versicherungen rückgebaut wurden, um den Besucherandrang in den Griff zu bekommen!]
Groß Einlaufen können wir uns heute nicht, ein Schritt und wir stehen vor dem ersten Abschwung. Jetzt heißt es aufpassen und die noch wackeligen Glieder unter Kontrolle halten. Was für ein Jumpstart!
Die anfänglichen leichteren Kletterpassagen am Grat (A bis A/B) machen Lust auf mehr. Hauptsache, jeden Moment genießen. So schnell mache ich diese Tour bei derartigen Traumbedingungen nicht mehr.
10 Minuten später sehen wir den roten Feuerball am Horizont aufgehen und verweilen einen kurzen Moment, um die unglaubliche Szenerie um uns herum aufzunehmen.
Der weitere Wegverlauf führt uns in leichtem Auf und Ab bis zum nächsten größeren Aufschwung zur Watzmann-Mittelspitze.
Eingeleitet von der imposanten Großen Platte (A), in die einige Trittstifte zur Entschärfung hineingetrieben wurden, zieht sich der weitere Anstieg über eine deutlich anspruchsvollere Rampe (B) bis zum Gipfelkreuz auf 2713 m, dem damit höchsten Punkt des Watzmann-Massivs.
Bald wird es voll hier oben sein.
Am Hocheck erspähen wir bereits ein paar weitere Aspiranten, die schnellen Schrittes näher kommen.
Einen Moment, bevor wir weitergehen, nehmen wir uns noch Zeit und beobachten die dichten Nebelschwaden, die sich tief unter uns über dem Königssee tummeln.
Der Blick hinüber zur Südspitze ist einfach nur atemberaubend und ich bekomme Gänsehaut, als Tobi vor mir senkrecht in Tiefe steigt.
Vor uns liegt das wohl anspruchsvollste Stück der Tour: Der luftige Abschwung (B/II-) hinunter von der Mittelspitze.
Im Anschluss an diese oftmals extrem ausgesetzten, aber insgesamt perfekt versicherten Gratpassagen wartet eine schmale Rinne auf uns. Eine der Tourpassagen, die wirklich Freude am Fotografieren bereitet. Auch wenn ich dieses Mal schweren Herzens auf meine Kamera verzichtet habe und mein Handy für die Bilder herhalten musste.
An dieser Stelle ein hoch auf die Panoramafunktion!
Hier noch ein paar Schnappschüsse:
Der Abschwung liegt hinter uns.
Ohne nennenswerte Schwierigkeiten (A) führt uns nun ein längeres Stück durch mehr oder weniger ebenes Felsgelände. Und dieses endet mit einem Paukenschlag: Meine persönliche Schlüsselstelle der Tour. Technisch unschwierig, aber extrem ausgesetzt.
Was ein paar Meter im aufrechten Gang auf einem maximal 50 cm breiten Gratabschnitt (T5+) bewirken können! Absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind hier zwingend erforderlich.
Unweigerlich muss ich daran denken, dass ich am oberen Ende einer der größten Wände der Ostalpen unterwegs bin.
[Bilder habe ich übrigens leider keine gemacht, aber auf YouTube gibt’s von der Stelle einige spektakuläre Videos, wie zum Beispiel dieses.]
Etwas einfacher geht’s abschließend durch abwechslungsreiches Felsgelände (A, A/B, kurz B) bis zum Gipfel der Watzmann-Südspitze auf 2712 m.
Der lange Abstieg ins Wimbachgries…
Mittlerweile ist es voll am Gipfel, und auch auf der gesamten Strecke hinüber zum Hocheck tummeln sich die Menschen.
Trotzdem lassen wir uns lange Zeit, genießen das Panorama und frühstücken erst einmal ausgiebig.
Meine Anspannung ist etwas abgefallen, aber ich weiß auch, dass der Abstieg alles andere als einfach wird. Und wer sich entsprechend erkundigt, wird schnell merken, dass die meisten Unglücke bei der Watzmann-Überschreitung beim Abstieg passieren.
Klettertechnisch hat der Abstieg jedoch nicht mehr viel zu bieten. Das, was tatsächlich sehr unangenehm ist, ist die Steilheit und das lose Geröll. Also, Vorsicht!
Auf einer Höhe von etwa 1800 m zweigen wir rechts vom Weg ab und füllen unsere leeren Tanks bei einer kleinen Quelle auf.
Ab hier wird das Gelände generell flacher und einsehbarer.
Nach einigen weiteren versicherten Steilstufen (maximal I) erreichen wir schließlich nach insgesamt 3,5 h Gehzeit den flachen Schwemmkegel des Wimbachgries und treten nach einer kleiner Stärkung in der Wimbachgrieshütte auf 1327 m den elend langen Abschlusshatscher zurück zum Parkplatz an.
Während ich in voller Mittagshitze meinem Ziel entgegenhumpele, versuche ich die heute gewonnenen Eindrücke irgendwie zu verarbeiten.
Was das für ein hammerstarker Saisonabschluss gewesen ist!
[Und tatsächlich, dieses Wochenende sollte das letzte schneefreie Wochenende auf dem Watzmann gewesen sein…]
Die klettertechnischen Schwierigkeiten der Tour sind hier (Topo) noch einmal grafisch dargestellt.
Hast du Fragen oder Anregungen?
Ich freue mich auf deinen Kommentar!