Das Hohe Brett mal anders. Ganz anders.
Weniger als eine Woche ist seit unserem dreiwöchigen Italien-Schweiz-Roadtrip vergangen und schon steht Tobi bei uns auf der Matte.
Ich freue mich immer riesig, wenn mein ehemaliger Norwegen-Kompanion den Weg zu mir nach München antritt, denn das kann immer nur eines bedeuten: Es geht wieder in die Berge!
Und zwar ins schöne Berchtesgadener Land: Über den Alpeltalsteig auf’s Hohe Brett, mit Überschreitung der Archenköpfe als genussvolle Biwak- und Kraxltour.
Die Überschreitung der Archenköpfe vom Hohen Göll (2.522 m) bis auf’s Hohe Brett (2.340 m) zählt zu den ruhigsten und schönsten Gratwanderungen im gesamten Berchtesgadener Land.
Die Eckdaten der Tour in aller Kürze:
Startpunkt: Parkplatz Hinterbrand (1.120 m), Scharitzkehlstraße, Schönau am Königssee
Anspruch: T4, I (UIAA), technisch und konditionell anspruchsvoll, teils wegloses Gelände
Länge & Höhenmeter: 12,4 km, 1240 HM im Auf- und Abstieg, ca. 6-8 Stunden
Einkehr: Mitterkaseralm, bzw. Carl-von-Stahl-Haus mit kurzem Umweg
Es ist Freitag, der 21. August 2020.
In den Bergen ist absolutes Kaiserwetter angesagt.
Allerdings soll schon am morgigen Vormittag eine Kaltfront für heftige Gewitter sorgen, sodass wir uns dazu entschließen schon heute den Großteil der Tour hinter uns zu bringen und die Sache sportlich anzugehen.
Los geht’s am Parkplatz Hinterbrand, bzw. von Norden kommend schon kurz davor an einer kleinen Parkbucht. Wir ergattern den letzten der paar kostenlosen Stellplätze direkt beim Einstieg zum Alpeltalsteig. Bis jetzt läuft alles wie am Schnürchen.
Keine fünf Minuten später, und wir dürfen direkt Hand anlegen.
Der Steig ist schmal und steil. Von Beginn an erleichtern vereinzelte Versicherungen das Aufsteigen in der teils stark erodierten Spur.
Die dichte Vegetation am Wegesrand bestätigt das, was wir schon längst angenommen hatten: Oft wird der Steig nicht begangen.
Die Höhenmeter fließen dahin. Nach knapp 1,5 h haben wir die ersten 800 Höhenmeter geschafft und das Gelände fängt an, sich langsam zurückzulehnen. Die Bäume lichten sich bereits und wir bekommen das erste Mal so richtig einen Überblick, wo wir uns überhaupt befinden.
Trotz den an sich wirklich zahlreich vorhandenen Markierungen kommen wir hin und wieder vom eigentlichen Weg ab und müssen uns mühsam unseren eigenen Weg durch die nun teils dichten Latschenfelder bahnen.
Eine weitere schweißtreibende halbe Stunde später erreichen wir den berüchtigten Berchtesgadener Karst, ein Meer aus Stein und Fels.
Auch wenn es auf den Bildern nicht so aussieht: Hier muss einfach jeder Tritt sitzen. So leicht verstaucht man sich hier den Knöchel, so leicht schürft man sich am scharfkantigen Gestein die Knie auf. Ganz zu schweigen von einem Fehltritt in eines der unendlich vielen metertiefen Löcher, die das Wasser hier in den letzten Jahrtausenden in den Kalkstein gefräst hat.
In einem elenden Auf und Ab schlängelt sich der Weg durch die graue Felswüste.
Jeder Schritt bedeutet Konzentration pur, ein Auge ist stets auf den Boden gerichtet. So abgefahren es hier auch aussehen mag, auf die Dauer macht uns der Karst mürbe. Auch das Fehlen von jeglichem Wasser macht es nicht gerade erträglicher.
Nach ganzen zwei weiteren Stunden und einer bei der üblen Hitze sonderbar anmutenden Schneefeldquerung erreichen wir den nächsten Wegweiser, ziemlich genau unterhalb des Großen Archenkopfs. Links geht’s hinauf zum Hohen Göll, rechts weiter in Richtung Hohes Brett.
Am Wegweiser gönnen wir uns eine wohlverdiente Pause und überlegen eine Weile, was wir tun. Auf dem Karst haben wir einfach viel zu viel Zeit verloren.
Lange werden wir heute kein Licht mehr haben. Die Sonne verabschiedet sich bereits.
Ursprünglich hatte ich ja vor, den Hohen Göll mit seinen 2.522 m noch mitzunehmen und dann auf dem rundlichen Buckel des Großen Archenkopfs (2.391 m) zu biwakieren. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde und unserer beider unmöglich zu leugnenden Fertigkeit lassen wir das aber sein und biegen rechts ab in Richtung Hohes Brett, so schmerzlich es auch ist.
Ein bisschen Power brauchen wir noch. Denn der spaßige Teil der Tour kommt ja erst noch!
Das Auf und Ab am Grat ist einfach nur geil.
Und das auch noch bei dieser grandiosen Abendbeleuchtung und dem unbeschreiblichen Panorama über die höchsten Gipfel des Berchtesgadener Nationalparks.
Schwierige Felspassagen sind stets vorbildlich versichert, der erste Schwierigkeitsgrad wird nie überschritten.
Ein letzter Blick zurück verrät, was wir heute geschafft haben, und was uns wohl oder übel durch die Finger geronnen ist.
Bis zum Sonnenuntergang sind es jetzt nur noch ein paar Minuten.
Die letzten Momente der magischen Lichtstimmung genießen wir in vollkommener Stille und außergewöhnlich warmen Temperaturen auf der letzten Anhöhe vor dem Übergang zum Hohen Brett.
Dort angekommen, machen wir es uns auf dem gigantischen Gipfelplateau des Hohen Bretts bequem und gönnen uns das heiß ersehnte abendliche Drei-Gänge-Bergsteiger-Menü, bestehend aus einem Apfel, Eintopf und einer großen Menge an Schokolade und Gummibärchen.
Leises Donnergrollen und Wetterleuchten in weiter Ferne geben die nötige Würze.
Das sind die Momente die bleiben.
Ich kann mich nicht erinnern, auf einem Berg mit vergleichbarer Höhe mal eine so ruhige und angenehme Nacht verbracht zu haben. Fast hätte ich sogar den Sonnenaufgang verschlafen…
Nein, das war natürlich Quatsch. Das ist unmöglich.
Der Sonnenaufgang ist und bleibt einfach das Highlight für jeden Fotografen. Egal wo, egal wann.
Von den ersten Sonnenstrahlen des Tages angeleuchtet, erhebt sich in seiner ganzen Pracht der Watzmann über die umliegende Bergwelt. Majestätisch. Wie es sich für das zweithöchste Massiv Deutschlands gehört.
So schön es auch ist. Aus Nordwesten schiebt sich bereits wie angekündigt unheilbringend die graue Front herein und wir müssen aufbrechen.
Ohne uns beim unschwierigen Abstieg großartig zu beeilen, erreichen wir schon nach ein paar Minuten das Jägerkreuz, bei dem der weitere Steig über die Brettgabel zurück zum Parkplatz Hinterbrand abgeht.
Wir entscheiden uns für die normale Route in Richtung Carl-von-Stahl-Haus, die in diesem Moment wunderschön von den ersten goldenen Sonnenstrahlen getroffen wird.
Dieser folgend erreichen wir nach einer knappen Stunde immer schön rechts haltend die Mitterkaseralm, bei der wir unsere leeren Flaschen auffüllen.
Im sportlichen Tempo bringen wir die Tour im Strom der umherwuselnden Jenner-Touristen zu Ende.
Was für eine Tour. Und was für eine unbeschreibliche schöne Bergwelt im Berchtesgadener Nationalpark!
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Dann gönn dir doch auch noch diesen Artikel zur Biwaktour an, die ich zusammen mit Tobi in den Allgäuer Hochalpen gestartet habe!
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