Wenn ich daran zurückdenke, wie Tobi und ich im letzten Licht der untergehenden Sonne dem gigantischen Fjord entgegenfuhren, bekomme ich noch jetzt Gänsehaut.
Beschreiben kann man so etwas nicht mehr, das muss man einfach erlebt haben!
Skitouren gehen in Lyngen, im höchsten Norden Norwegens – hier ist mein Bericht.
Die Region Lyngen, genauer gesagt die der Lyngsalpene, ist bekannt für seine unglaubliche Vielseitigkeit. Touren findet hier jeder, egal ob Anfänger oder Vollprofi.
Angefangen von den sanft abgerundeten Bergkuppen, die typisch sind für die Region um Tromsø, bis zu den schroffen alpenähnlichen Gipfelaufbauten, wird jeder seine Traumroute in gewünschter Exposition finden. Und wer auf anspruchsvolle Hochtouren steht, ist hier sowieso am richtigen Fleck. Fjordabfahrten inklusive.
Kaum irgendwo anders wird man solche Bedingungen finden!
Zugegebenermaßen ist das mit dem Pulverschnee, so wie wir es in den Alpen oft kennen, so eine Sache.
Den gibt es schon, keine Frage. Gewöhnlich aber nur an Stellen, die nicht unbedingt dem Wind ausgesetzt sind.
Überall sonst, und vor allem in den Gipfelbereichen, ist eigentlich nur noch mit Triebschnee zu rechnen. Da der Wind jedoch ständig seine Richtung wechselt, wird es nie große Triebschneeansammlungen geben. Die Lawinengefahr hält sich daher für gewöhnlich in Grenzen.
Einheimische bezeichnen übrigens hier oben alles unter 10 m/s als sanftes Lüftchen. Bei uns würde man wohl solche Windgeschwindigkeiten als ausgewachsenen Sturm bezeichnen!
Und so beginnt die Woche…
Nun, untergekommen für die Woche sind wir in dem kleinen “Örtchen” Svensby, einer kleinen Ansammlung an Häuschen an Lyngen’s Westseite. Ziemlich zentral gelegen und alle interessanten Gipfel in unter 90 Minuten (inkl. Fähren) mit dem Auto zu erreichen.
Die Anreise gestaltet sich als durchaus einfach. Eine knappe Stunde brauchen wir vom Flughafen in Tromsø zur Fähre in Breivikeidet, die direkt nach Svensby übersetzt.
Und so sieht unsere bescheidene Unterkunft aus:
Eine kleine Erkundungstour mit anschließenden Nordlichtern ist am Anreisetag sogar auch noch drin.
Couldn’t ask for more!
Tag 2: Rørnestinden (1041 m)
Erster Blick aus dem Fenster, und über den Fjord: Prachtwetter, und was für eine Landschaft. Hohe Wolkenfelder aus Südwest kündigen sich an.
Temperatur: gewöhnungsbedürftige -6°C, Niederschlagswahrscheinlichkeit: 0%, Wind: stark (für deutsche Verhältnisse).
Die Tour starten wir direkt in Lyngseidet, dem größten Ort in Lyngen. Hier gibt es sogar einen Supermarkt, den einzigen.
Anders als geplant halten wir uns zu Beginn der Tour zu weit rechts und können den gewaltigen Taleinschnitt zwischen dem Kavringtinden (1289 m) und dem Rørnestinden nicht mehr queren. Der Rørnestinden soll es also werden.
Abfahrt und Aufstieg: Südwest. Der Wind trifft uns auf voller Breitseite. Der ganze Hang liegt in der Sonne, und das Panorama ist unbeschreiblich.
Die Abfahrt vom Gipfelhang mit Blick auf den Fjord übertrifft alles, was ich bisher erlebt habe. Das muss man erlebt haben, das ist ultimatives Abfahrtsvergnügen. Besser wird’s nicht mehr.
Saftige zweistellige Minusgrade bei diesem Wind machen das sonst so geliebte Fotografieren zur Tortur. Viel Zeit bleibt nicht, nur noch Schnappschüsse sind irgendwie möglich. Und das wird sich die Woche auch nicht mehr ändern.
Tag 3: Storgalten (1219 m)
Es ist stark bewölkt. Typisch norwegisches Wetter, mit hie und da ein wenig Sonne und leichten Schneeschauern. Die Gipfel sind verborgen in zähen Wolkenschleiern. Etwas weiter draußen zur offenen See hin erwarten wir bessere Verhältnisse, daher probieren wir die Tour auf den Storgalten etwas weiter nördlich.
Die ersten 850 Höhenmeter verlaufen ordentlich. Die Sicht ist okay, mehr aber auch nicht.
Eine vollkommen abgeblasene und vereiste Steilstufe auf etwa 950 m bringt mich trotz angelegten Harscheisen an meine Grenzen und wir müssen unter widrigsten Bedingungen abfellen.
Hände und Gesicht spüre ich schon lang nicht mehr. Die Abfahrt ist ein eisiges Vergnügen.
Tag 4: Stetind (920 m) zum Sonnenaufgang, Ruoššavárri (816 m) zum Sonnenuntergang
Am Morgen des vierten Tages wussten wir noch nicht, wie unglaublich dieser Tag werden würde.
Eines hatten wir uns aber beide vorgenommen: Den Tag so gut es geht nutzen. Klar, bei 12 Stunden ungetrübtem Sonnenschein.
Früh brechen wir auf. Letzte Wolkenschleier beginnen sich in der Morgensonne bereits rot zu färben.
Die Tour auf den Stetind ist nicht schwer, wir folgen dem Taleinschnitt durch die lichte Vegetation in einen Kessel. Von dort aus ist die finale Westflanke zum Gipfel schnell erreicht. Um 8.45 Uhr erreichen wir den Gipfel.
Nach dem erholsamen Mittagessen und einem kurzen Bummel am Hausstrand, machen wir uns erneut auf den Weg Richtung Norden. Der Ruoššavárri ist die nördlichste Erhebung auf der Lyngen Halbinsel, der Blick zum Sonnenuntergang über die weite See muss fantastisch sein.
In knapp zwei Stunden bezwingen wir den knapp 800 Meter hohen Berg, und sind – wie soll es auch anders sein – mit den Kräften vollkommen am Ende. Angetrieben nur vom Ehrgeiz, die letzten Sonnenstrahlen des Tages noch auf der Haut zu spüren.
Das Panorama ist gewaltig (und erinnert mich unweigerlich an eine meiner nervenaufreibendsten Skitouren überhaupt).
Tag 5: Daltinden (1533 m)
Und wieder so ein schöner Tag.
Eigentlich brauchen wir dringend Erholung vom gestrigen Kraftakt. Nichtsdestotrotz machen wir uns beschwingt durch die aufgehende Sonne auf den Weg zum Daltinden. Etwas weiter südlich dieses Mal.
Der Daltinden wird unter Kennern gehypt für seine grandiosen, endlos langen Nordhangabfahrten, und das bis in den Sommer hinein.
Zu Anfang führt uns die Tour entlang eines Gletscherflusses tief hinein ins Lyngsdalen. Wir sind umringt von Gletschern. Hier befinden sich die mächtigsten Gipfel in Lyngen, allesamt Hochtouren vom Feinsten.
Der Steigung ist unmerklich und der Weg zieht sich enorm in die Länge. Endlich kommen wir zum Punkt, an dem es steiler wird. Trotzdem ahnen wir bereits, dass wir die Tour nicht zu Ende bringen können. Auf etwa 800 m fellen wir ab und stürzen uns in den Puder.
Für heute reicht uns das völlig.
Tag 6: Ruhetag mit Sonnenuntergangsschmankerl an Lyngens Nordkap
In der Nacht dreht der Wind auf West. Wer zum Beispiel diesen Artikel hier gelesen hat, weiß, dass das in Norwegen immer sofort schlechtes Wetter bedeutet. Insgeheim freuen wir uns darüber, auch wenn wir es nicht unbedingt an den großen Nagel hängen wollen.
Endlich mal ein Ruhetag!
Gegen Nachmittag schwingen wir uns trotzdem nochmal ins Auto und machen uns auf den Weg gen Norden. Die dichte Wolkendecke scheint wohl etwas aufzureißen und ich vermute eine magische Stimmung zum Sonnenuntergang. Zu Fuß marschieren wir los zum Leuchtturm, der Lyngens Nordkap markiert.
Eine Stunde mit absolut abgefahrenen Lichtverhältnissen.
Tag 7: Storhaugen (1142 m)
Last but not least. Der Tag vor der Abreise ist gekommen. Die letzte Tour steht an.
Wir entscheiden uns für den Storhaugen, der östlich der Lyngsalpene im sog. Kåfjordgebiet liegt und nahezu aus einer einzigen gigantischen schneeweißen Westflanke besteht. Die Blicke hinüber zu den schroffen Gipfeln Lyngens ist legendär.
Die Tour an sich ist einfach (max. Steigung etwa 30°) und die optimale Route nicht schwer zu finden. Was die Tour aber wieder einmal zur Herausforderung macht, sind die unerbittlichen Winde, Erholungspausen ausgeschlossen.
Fazit:
Ich mach’s kurz und schmerzlos: Ich komme wieder.
Besser geht’s nicht. Das ist die absolute Superlative.
Schaut euch gerne auch nochmal hier die vollständige Galerie an.
Was meint ihr? Überzeugt, oder bleibt ihr lieber in euren gewohnten Gefilden?
Ich freue mich wie immer über eure Kommentare!
Hallo Tobi, wirklich toller Bericht, hilft mir sehr bei der Planung unserer Tour!
Danke, Alex! Das freut mich sehr!